Eine ganze Reihe rheinhessischer Gemarkungen wurde ehemals von einem Pfad durchschnitten, der den Namen Pilgerpfad führte. In seiner Hauptrichtung verlief er von Worms nach Bingen und berührte unter andern die Gemarkungen von Hochheim, Herrnsheim., Abenheim, Westhofen, Bechtheim, Framersheim, Gau-Köngernheim, Gau-Odernheim, Biebelnheim, Wörrstadt und Sulzheim. Von da ab scheint der Name verschwunden zu sein. Der Pilgerpfad soll von Köln bis nach Rom geführt haben oder, wie andere meinen, von den Wallfahrern benützt worden sein, die vom oberen nach dem unteren Rhein pilgerten und, um den Umweg über Mainz zu vermeiden, Rheinhessen quer durchschritten. Charakteristisch für den Pfad ist auch der Umstand, daß er kein einziges Dorf durchzogen haben soll. Wollten die Pilger rasten, so lagerten sie im Freien, wie etwa auf der "Pilgerwiese" bei Westhofen, wo ihnen der "Pilgerbrunnen" im Schatten hoher Erlen Labsal und Stärkung für die weitere Wanderung bot. Als die Wallfahrten mehr und mehr in Abgang kamen, wurde der Pfad noch längere Zeit von Schiffern und Flößern benützt, die aus dem Süden stammten und vom Niederrhein nach ihrer oberrheinischen Heimat zurückkehrten. Heute ist der Pilgerpfad in den meisten Gemarkungen verschwunden. Aber in vielen Flurnamen wird auch für später die Erinnerung an ihn noch festgehalten.
Quelle: W. Müller, Rheinhessisches Heimatbuch. Erster Teil. Hess. Volksbücher 46 u. 47 (Friedberg 1921). S.64